Geräusche fühlen
Das Ohr - ein Radar ohne Gnade
Der Mensch besitzt drei Sinnesorgane, welche ihn schon zu Urzeiten vor Gefahren warnen konnten: Das Auge, die Nase und das Gehör.
Das Spezielle an unserem Gehör ist, dass wir es nicht wie die Augen verschliessen können und es nicht wie die Nase verstopft werden kann. Es ist das einzige Organ, das rund um die Uhr - wie ein Radar - die Umgebung auf Gefahren abhorcht.
Das Ohr hört, ob wir wollen oder nicht. Selbst mit zugehaltenen Ohren dringen die Geräusche immer noch ins Innere.
Und genau so effizient, wie unser Gehör Geräusche aufnimmt, entstehen daraus via Hirn, Nervensystem und Hormonsignale Stimmungen wie Panik oder Aggression, Handlungen wie Angriff oder Flucht. Diese Vorgänge, die wir nicht steuern können, sind die Ursache, weshalb uns Lärm so viele Probleme bereiten kann.
Hören löst Gefühle aus
Die erste Möglichkeit, mit Gefühlen auf die Umwelt zu reagieren, bildet für uns Menschen das Gehör, das schon bei Geburt fixfertig ist (das Innenohr ändert sich im Verlaufe des Wachstums keinen Zehntelmillimeter mehr). Heute weiss man, dass unser Gehör äusserst sensibel und sehr effizient mit unserem Körper verbunden ist und dass so ziemlich jedes Geräusch irgendein Gefühl auslöst.
Psychoakustik: Manipulation der Gefühle
Die angewandte Psychoakustik nutzt gezielt die Verbindung von Geräuschen mit Gefühlen.
Wie soll sich das Plätschern einer Waschmaschine anhören?
Wie muss eine Mercedes-Türe beim Zuschlagen klingen, damit klar wird, dass man es hier mit Qualität und massiver Bauart zu tun hat?
Was gilt für das Knackgeräusch beim Zerbeissen von Cornflakes?
Wer meint, Produktgeräusche seien Zufälle, die mit den natürlichen Eigenschaften der Produkte zu tun habe, hat die Rechnung nicht mit den Sounddesignern und Psychoakustikern gemacht (siehe Linkliste "zdf.de").
Gezielte Eingriffe für den erwünschten Zielsound sind schon lange ein gut verankerter Arm der Industrie - auch in der Automobilindustrie!
BMW - um nur ein Beispiel zu nennen - hat für über 100 Millionen Franken ein Schalllabor gebaut. Ausgangslage: Jedes Geräusch löst ein Gefühl aus. Jedes. Da will man es nicht verpassen, gute Gefühle zu wecken.
Teils werden Materialen ausgewechselt, gestopft oder gewellt, nur damit es anders klingt. Türen, Handbremse, Lichtschalter. Das alles soll schwer und fett tönen. Nicht nach "Klick", sondern nach "Klock". Das verkauft sich leichter. Und teurer.
Hören Sie, wie unterschiedlich Autogeräusche verschiedener Marken sind.
Nach dem Erfolg der Autoindustrie wurden auch andere Branchen aufmerksam. Für fast jedes Gerät gibt es heutzutage einen sogenannten Zielsound, der den Geräten oft künstlich einverleibt wird.
Rasierer für den Mann und Epilady für die Frau: Oft haben diese Geräte den genau gleichen Motor, die selben Klingen, die genau selbe Leistung. Doch während der Rasierer rattert (eingebaute Schwingelemente), um zu unterstreichen, wie mächtig die abgesägten Bartstoppeln waren, so schnurrt der Epilady wie ein Katze vor sich hin (dämpfendes Material), als Beweis dafür, dass da sozusagen nichts war.
Bei gewissen Staubsaugermodellen hat man sogar einen Lautsprecher eingebaut, der das Geräusch von feinen Partikeln imitiert, die an den Innenmantel das Saugrohres prasseln - auch wenn da nur feinster Staub ist: das gute Gefühl bei den Konsumenten gab den Erfindern auf jedem Fall recht!
Erfindungen zielen auf angeborene Reflexe ab...
Ein anderes Beispiel ist die Arbeit der englischen Professorin für Akustik Deborah Withington. Sie entwickelt Sounds für Überwachungskameras, die bei einem Überfall ein Geräusch machen, in dessen Richtung der Bankräuber unwillkürlich schaut, was seine Identifikation erleichtert!