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Geschichte des Lärms

Das Wichtigste in Kürze...

Lärm kann man erst seit etwa hundert Jahren messen. Wenn wir wissen wollen wie laut es früher war, dann sind wir auf Berichte von Ohrenzeugen angewiesen. In alten Kulturen glaubte man, dass laute Geräusche von den Göttern stammen. Aber auch die Menschen machten Lärm, sei es auf dem Schlachtfeld, im Badehaus oder auf den Strassen Roms.
Von der Antike zum Mittelalter

Mit der Industrialisierung wurde die Welt plötzlich von mechanischem Lärm erfüllt. Das Stampfen der grossen Maschinen und das Rattern der Eisenbahn bildeten eine neue Geräuschkulisse. Man erkannte auch, dass Lärm schädlich ist, doch die Lärmbekämpfung steckte erst in ihren Anfängen.
Ein neuer Lärm

Die heutige Zeit ist geprägt von elektronischen Geräuschen. Telefon, Radio und Fernsehen haben das Hören revolutioniert. Wir sind uns gewöhnt, wann immer wir wir wollen Geräusche zu konsumieren. Discos und Konzerte sind so laut, dass wir unsere Ohren schützen müssen. Gleichzeitig hat durch die Mobilität der Lärm auf der Strasse, Schiene oder Luft zugenommen. Dank Gesetzen und technischen Massnahmen gibt es aber Mittel, diesen Lärm zu bekämpfen.
Lärm heute

Ein quietschender Zug, Handymelodien die losdudeln oder das donnernde Flugzeug über den Kopf. Die meisten Menschen fühlen sich durch solche Geräusche gestört und bezeichnen sie als Lärm. Doch wie war es früher? Musste eine Welt ohne Handy, Flugzeuge oder Autos nicht paradiesisch ruhig gewesen sein?

Von der Antike zum Mittelalter

Bevor es grosse Maschinen gab, kamen die lautesten Geräusche aus der Natur. In vielen alten Kulturen glaubte man, das Grollen des Donners oder das Tosen eines Meeressturms sei die Sprache der Götter und Lärm deshalb heilig. Vor 3000 Jahren erzählte man in Babylonien, dass die Menschen in einer Sintflut ertränkt worden seien, weil sie zu laut waren und die Götter gestört hätten. Aber die Menschen wussten bald, dass sie Lärm machen konnten um Macht zu gewinnen. Wenn Griechen oder Römer in eine Schlacht zogen, trommelten sie auf ihre Schilder, bliesen in Trompeten und brüllten aus vollem Hals. Damit sollten die eigenen Soldaten auf den Kampf vorbereitet werden und gleichzeitig jagte man dem Gegner Angst ein. Man kann sich gut vorstellen, welchen Lärm das Klirren der Waffen, die brüllenden Pferde und das Geschrei der Kämpfenden verursacht haben.

Auch das Alltagsleben in der Antike war nicht leise. Der römische Philosoph Seneca klagte über den Krach in einem Badehaus und der Lärm in den Strassen Roms muss so gross gewesen sein, dass man in der Nacht kaum schlafen konnte.

Die Art des Lärms änderte sich während dem Mittelalter und der frühen Neuzeit kaum. Marktgeschrei, Hufgeklapper, das Knallen der Peitschen und das Hämmern der Handwerker waren die dominierenden Geräusche. Neu war das Läuten der Kirchenglocken. In allen Städten und den meisten Dörfern Europas gab nun der wuchtige Klang der Glocken die Zeit an. Die meisten Bürger störten sich aber mehr am Gestank in den Gassen.

Ein neuer Lärm

Eine ganz neue Art von Lärm entstand im 18. Jahrhundert, als mit der Erfindung der Dampfmaschine das Zeitalter der Industrialisierung begann. Für unzählige Fabrikarbeiter bildete das Stampfen der Maschinen und das Heulen der Fabriksirenen die tägliche Geräuschkulisse. Erstmals erkannte man, dass Lärm das Gehör schädigen konnte. Doch angesichts der schlimmen Lebensbedingungen der Arbeiter rückte der Gehörschutz in den Hintergrund. Geprägt wurde diese Zeit auch durch das Rattern und Pfeifen der Eisenbahn. Doch diese Geräusche symbolisierten den Fortschritt der Zivilisation und wurden kaum als Lärm empfunden.

Über Lärm klagten vor allem Schriftsteller und Gelehrte. Sie brauchten für ihre Arbeit viel Ruhe und äusserten ihren Ärger in Texten, Briefen und Tagebüchern. Der Philosoph Kant kaufte sogar seinem Nachbarn einen Hahn ab, weil er ihn beim Arbeiten gestört hatte. Das Tier landete im Suppentopf.

In der Öffentlichkeit fing man erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts an das Thema Lärm ernst zu nehmen. In Deutschland wurde ein Anti-Lärm Verein gegründet, der den allgegenwärtigen Lärm in den Städten bekämpfen wollte. Diesem Verein gehörten vor allem reiche Bürger an, die sich um ihre Ruhe sorgten. Die Schuld am Lärm gab man den Arbeitern und Handwerkern. In den USA war man zielstrebiger. Es gab konkrete Vorschläge, um den Lärm zu verringern. So sorgten Gummireifen für Wagen oder Ruhezonen um Spitäler und Schulen für mehr Ruhe.

Lärm heute

Mit der Erfindung von Radio, Telefon und Grammophon war es plötzlich möglich Geräusche über weite Distanzen zu transportieren. Der Ton und sein Verursacher konnten Tausende von Kilometern voneinander getrennt sein, wodurch eine neue Geräuschkulisse entstand. Ob im Wohnzimmer, im Kaufhaus oder auf der Strasse, überall wurde man aus Lautsprechern beschallt. Mit der Erfindung des Verstärkers waren auch der Lautstärke in der Musik keine Grenzen mehr gesetzt. Während Rockgruppen in den Sechzigerjahren Jahren das Publikum noch mit verstärkten Gitarren erschrecken konnten, gehören heute an Konzerten und in Discos hohe Lärmpegel zum Normalzustand.

Die heutige Welt ist globalisiert. Man fährt zur Arbeit und fliegt in die Ferien. Bevor man ein T-Shirt im Laden kauft, ist es um die halbe Welt gereist. Die Folgen dieser Mobilität sind neben Luftverschmutzung und Klimaerwärmung auch eine zunehmende Lärmbelastung. Mit modernen Mitteln versucht man sich dagegen zu schützen. Häuser werden besser isoliert, und entlang der Strassen und Eisenbahnschienen baut man Lärmschutzwände. Aber Schall lässt sich nur schwierig eingrenzen, und wer es sich leisten kann, der zieht in eine ruhigere Gegend.

Es ist heute lauter als vor zweitausend Jahren. Aber Lärm entsteht immer im Kopf. Wenn römische Bürger vom Lärm der Marktschreier gestört wurden, dann war das für sie nicht weniger schlimm als es für jemanden ist, der heute unter Strassenlärm leidet. Aber im Gegensatz zu früher gibt es Gesetze und Mittel, um gegen den Lärm vorzugehen. Arbeiter müssen vor Lärmbelastungen geschützt werden und Lärmverursacher müssen Grenzwerte einhalten. Moderne Techniken und bauliche Massnahmen können Lärm eindämmen und gegen störenden Alltagslärm gibt es Ohropax. Schlussendlich haben wir uns aber vermutlich so sehr an eine permanente Geräuschkulisse aus mechanischen und elektronischen Geräuschen gewöhnt, dass wir sie aus unserem Alltag nicht mehr wegdenken können.

Literatur:
Geisel, Sieglinde, Nur im Weltall ist es wirklich still. Vom Lärm und der Sehnsucht nach Stille, Berlin 2010.
Schafer, Murray, Klang und Krach. Eine Kulturgeschichte des Hörens, Frankfurt am Main 1988.

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